Deutscher Olympischer Sportbund: Flüchlinge in Sportdeutschland - 12. Mitgliederversammlung beschließt Erklärung - "Integration durch Sport" - 456 Delegierte aus den Mitgliedsorganisationen in Hannover

12. DOSB- Mitglieder- versammlung am 5. Dezember 2015


Flüchtlinge in Sportdeutschland


Die Mitgliederversammlung beschließt einstimmig die nachfolgende Erklärung „Flüchtlinge in Sportdeutschland“

:

 

Erklärung


Deutschland steht mit der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingsbewegung und der stark gestiegenen Zahl von Asylsuchenden vor einer Herausforderung, die alle gesellschaftlichen Kräfte fordert. Das gilt nicht nur für die Aufnahmesituation. Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz gibt vor, dass Menschen, die eine dauerhafte Bleibeperspektive haben, möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden sollen. Unsere rund 90.000 Sportvereine stehen seit Jahrzehnten für gelebte Integration. Sport kann Menschen unterschiedlicher Herkunft friedlich zusammenführen, im Training, im Wettkampf und darüber hinaus.


Auf dieser Basis setzen viele Sportvereine auch in der derzeitigen Situation klare Zeichen für eine gelebte Willkommenskultur, für Solidarität und Hilfsbereitschaft. Sport, Spiel und Bewegungsangebote in Flüchtlingsunterkünften, eine unbürokratische Aufnahme in bestehende Vereinsangebote, die Sammlung von Sportkleidung und Sportgeräten oder die Unterstützung von Flüchtlingen und Asylsuchenden im Umgang mit Behörden oder bei der Essens- und Kleiderausgabe sind nur einige Beispiele dafür, was ehrenamtliche Mitarbeiter/innen und Mitglieder der Sportvereine bundesweit und weit über die eigentliche Vereinsarbeit hinaus leisten.

Die Mitglieder versammlung stellt daher fest:


  • Der DOSB und seine Mitgliedsorganisationen bekennen sich zu einem offenen und gastfreundlichen Deutschland und zu ihrer integrationspolitischen Mitverantwortung. Sport ist international, spricht alle Sprachen und ist grenzenlos.


  • Der DOSB, seine Mitgliedsorganisationen und die Vereine stellen sich den neuen Herausfordeungen, heißen Flüchtlinge willkommen und bieten ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Unterstützung und Orientierung.


  • Sportvereine öffnen sich für alle Menschen. Sie gründen auf das Selbstverständnis von gegen-seitigem Respekt und auf die Übernahme von Verantwortung für Sport und für das soziale Miteinander. Vereine tragen in hohem Maße zum friedlichen Miteinander in unserer Gesellschaft bei und bieten Raum, sich kennenzulernen, auszutauschen und gemeinsame Erfahrungen zu sammeln. Sportvereine bieten unverzichtbare Integrationsmöglichkeiten.

  • Sportvereine und verbände zeigen erhebliches ehrenamtliches Engagement und bringen für ihre Arbeit finanzielle Mittel in nicht unbeträchtlicher Höhe auf. Vereine engagieren sich weit über ein rein sportliches Maß hinaus für Flüchtlinge. Landessportbünde unterstützen diese Aktivitäten durch finanzielle Zuschüsse an Vereine und die Übernahme von Versicherungsleistungen für Flüchtlinge. Spitzenverbände entwickeln Lösungen für Startpässe, damit Flüchtlinge an ihrem Spiel und Wettkampfbetrieb teilnehmen können. Das IOC hat einen Fonds zur Unterstützung von betroffenen NOKs in der Flüchtlingsarbeit eingerichtet. Zudem wird es geflüchteten und heimatlos gewordenen Athletinnen und Athleten, die sportliche Leistungsvoraussetzungen erfüllen, den Start bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro unter der Olympischen Flagge ermöglichen.
  • Das Engagement des Sports für geflüchtete Menschen trifft nicht überall auf wertschätzendes Verständnis, und Vereine sehen sich bisweilen mit flüchtlingsfeindlichen und rechtsextremen Ressentiments konfrontiert. Doch es gibt auch Sportvereine, die ihrerseits rechtsextreme Aktivitäten in ihren Reihen dulden, sie haben in der Sportfamilie keinen Platz. Der DOSB und seine Mitgliedsorganisationen sind gefordert, in dieser Frage eine klare Haltung zu beziehen, Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen, frühzeitig einzugreifen, Hilfestellungen anzubieten und gegebenenfalls. gegen solche Umtriebe mit allen Mitteln des Vereinsrechts vorzugehen.

Sportvereine sind auf zeitgemäße und funktionale Sporträume in angemessenem Umfang angewiesen. Vereine haben immer wieder ihre Bereitschaft gezeigt zusammen-zurücken, wenn einzelne Sporthallen oder Sporträume geschlossen oder anderweitig belegt werden müssen. Dies gilt bislang auch für die Nutzung von Sporthallen als Flüchtlingsunterkünfte. Doch Sporträume sind wichtige und unverzichtbare Begegnungsstätten für die einheimische Bevölkerung und zugleich Integrationsräume für Flüchtlinge. Dies gilt in gleichem Maße auch für Schulen, die für ihren Sportunterricht zwingend auf Sportstätten angewiesen sind. Zudem sind Sporthallen aus humanitären Gründen als Massenunterkünfte ungeeignet.

Der DOSB verfolgt mit Sorge, dass zunehmend Sporthallen sehr kurzfristig und für mehr als einen Übergangszeitraum für die Unterbringung von Flüchtlingen zweckentfremdet werden und dass auch die Beschlagnahmung vereinseigener Sporträume nicht mehr ausgeschlossen wird. Er appelliert daher an die Verantwortlichen in den Kommunen, in den Ländern und auf Bundesebene,


  • intensiv und mit aller Kraft, national und international politische Lösungen für die größte Flüchtlingsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg zu erarbeiten und hierbei die Zivilgesellschaft aktiv einzubinden, die Flüchtlinge willkommen zu heißen und vor allem für einen wertschätzenden Umgang mit ihnen und für ihre menschenwürdige Unterbringung Sorge zu tragen,


  • die Belegung von Sporthallen mit Geflüchteten als letzte Notlösung zu verstehen und deren Zweckentfremdung auf ein unvermeidbares Minimum zu beschränken,

  • bundes- und landeseigene sowie kommunale leerstehende Liegenschaften unbürokratisch zur Verfügung zu stellen, um die Belegung von kommunalen und vereinseigenen Sporthallen zu vermeiden,

  • Vereine frühzeitig zu informieren, wenn Hallen im Notfall belegt werden sollen, sie in die Planungen einzubeziehen und Lösungen für die daraus entstehenden Engpässe zu entwickeln,


  • bei der Hallenauswahl die Durchführung des Schulsportunterrichtes und die Aufrechterhaltung des lokalen Trainings- und Wettkampfbetriebs als wichtiges Kriterium zu berücksichtigen sowie


  • sicherzustellen, dass Sportvereinen und -verbänden dabei kein wirtschaftlicher Schaden und keine steuerlichen oder gemeinnützigkeitsrechtlichen Nachteile entstehen

Angesichts des großen Zuwachses an Flüchtlingen und Asylsuchenden und der Aufgaben ihrer mittel- und langfristigen Integration sind die Zuwendungen für das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ signifikant zu erhöhen.


Die Landesregierungen sind gefordert, angesichts des hohen Integrationspotentials der Sportvereine eigene Förderprogramme auf zulegen, denn die anstehenden Aufgaben können nicht allein durch ehrenamtliches Engagement bewältigt werden. Daher muss neben der direkten Vereinsförderung auch der Einsatz bezahlter Mitarbeiter/innen auf lokaler Ebene ermöglicht werden, die die Vereine in ihrer Integrationsarbeit unterstützen.