Sport im Strafvollzug: Sozialsportliche Aktion des CVJM Wolfsburg in der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung vorgestellt - Andreas Pahlmann bearbeitet den Artikel - seit fast 50 Jahren aktiv - CVJM-Landeswart Helmut Neuber hat die Arbeit "angeschoben" - "realistischen Einblick in Gefängnisalltag" - "Opfer nicht vergessen"

Wer bekam die Hähnchenkeulen?

 

Seit fast fünf Jahrzehnten fährt der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) Wolfsburg ins Gefängnis. Begonnen hat diese Arbeit mit der Teilnahme an einem Volleyball-Turnier des CVJM-Landesverbandes Hannover. „Der damalige Landeswart Helmut Neuber hatte uns eingeladen und wir sind mit sechs jungen Leuten aus der Nordstadt-St. Marien-Gemeinde hingefahren“, erinnert sich Manfred Wille. In der Mittagspause gab es dann Hähnchen. „Wir saßen mit sechs Einsitzenden der Jugendanstalt Hameln an einem Tisch und zwölf Hähnchenkeulen lagen auf dem Tisch“, so Wille weiter. Wer hat die Hähnchenkeulen bekommen?

In der heutigen Ausgabe stellte die Wolfsburger Allgemeine Zeitung einen Teil der sozialsportliche Arbeit des CVJM Wolfsburg vor. Herzlichen Dank an Andreas Pahlmann von der WAZ-Sportredaktion, der in seiner bewährten und bekannten Art und Weise das Schreiben des Artikels begleitet hat. Es ist ein Bericht über eine fast 50-jährige Engagement, in dem verschiedene Aspekte vorgestellt worden sind.

Nach dieser bleibenenden Erinnerung fuhren die CVJMerinnen und CVJMer mehrmals im Jahr nach Hameln in die Jugendanstalt - einmal sogar mit einem ehemaligen grün-weißen Polizeibulli - und jugendliche Einsitzende kamen nach Wolfsburg in die Sporthalle des Schulzentrums Westhagen. Auch sogenannte "Freigänger" - Einsitzende, die für einige Stunden oder Tage das Gefängnis verlassen dürfen, kamen zu Aktionen des CVJM nach Wolfsburg.

Ulrich Bock, damaliger Sportlehrer in der Jugendanstalt „Die Besuche bei den Volleyball- und Fußball-Turnieren in Westhagen waren immer ein Highlight für unsere Insassen. Die gute Bewirtung ist mir in guter Erinnerung. Positiv für uns Betreuer war, dass keiner der Insassen auf den Fahrten abgehauen ist. Und wenn die Wolfsburger zu uns nach Hameln gekommen sind, war dies äußerst belebend für den Alltag, da es nicht alltäglich war.“

In den neunziger Jahren bauten die christlichen Sozialsportler die Kontakte mit der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel aus. „Wir haben besonders gut mit Rudi Stein zusammengearbeitet“, betonen Ferdinand Uecker, Michael Kühn und Hans-Jürgen Wille vom CVJM. „Für die Gefangenen waren und sind die Besuche immer eine willkommene Abwechslung im Knast-Alltag. Und die CVJMer sind immer zuverlässig gekommen, was nicht selbstverständlich ist“, lobt Rudi Stein, der jetzt im Ruhestand ist, die Wolfsburger.

„Der sportliche Erfolg steht bei den Besuchen im Hintergrund. Viel wichtiger ist doch der kommunikative Austausch unter den Sportlern. In friedlicher und freundlicher Atmosphäre kann vor allem auch ernsthafter Austausch stattfinden“, stellt JVA-Leiter Dieter Münzebrock zufrieden fest.

„Diese Kontakte zu externen Besuchern sind für die Inhaftierten von großer Wichtigkeit. Sie können Ansporn sein, in Zusammenarbeit mit dem Justizvollzug, künftiges Verhalten zu überdenken“, ergänzen die Bediensteten Mario Loba und Andreas Rehr. Neu sind in den letzten Jahren Spielnachmittage und das JVA-Sportabzeichen – wohl einmalig in Deutschland - im Untersuchungsgefängnis in Braunschweig mit den Sportbetreuern Dietmar-Gero Meyer und Oliver Grau.

Zu den Besuchen fahren auch Gruppen, Vereine, Kirchen, Schulen und Einzelpersonen mit. So zum Beispiel Tischtennisspieler vom TSV Ehmen. Gerhard Otte und Günter Donath vom TSV: „Wir halten die Besuche für sehr wichtig, denn wir erfahren, wie es in einer JVA aussieht. Und die Wiedereingliederung klappt nur, wenn das private Umfeld stimmt.“

Und ohne Engagierte könnte die Arbeit im Strafvollzug nicht in dem Rahmen durchgeführt werden. „Helfer wie Valeri Seifried, Artur Stark, David Rott, Nils Ruppel, Andreas Skatschkov, Nina Heinz, Lonny Kluge, Jens Hermann, Martin Stützer, Elisabeth Streich, Robert Fischer, Marcio Holzer, Udo Mindt, Birgit Hohnbaum, Ludmilla Karle und viele andere mehr haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Aktion geprägt“, sind Mareile Pieper und Michael Meixner vom CVJM-Leitungskreis dankbar für die uneigennützige Unterstützung.

Für die Besucher ist neben dem realistischen Einblick in die Situation in Gefängnissen der Opferschutz sehr wichtig. „Wir bereiten die Besuche sorgfältig vor und nach. Manchmal nehmen wir schon straffällig gewordene Jugendliche mit. Wichtig ist uns, dass die Situation von Opfern mitgesehen wird. Und wichtig ist uns auch, dass gesehen wird, wie notwendig vorbeugende, also präventive Arbeit ist, wie notwendig sinnvolle Angebote für junge und ältere Menschen sind. Daran darf wirklich nicht gespart werden“, fordert Manfred Wille.

Für die sozialsportlichen Aktivitäten im Strafvollzug sind die CVJMer häufig schon ausgezeichnet worden wie mit der Sportmedaille des Landes Niedersachsen, bei Sterne des Sports des Deutschen Olympischen Sportbundes und Manfred Wille mit dem Bundesverdienstkreuz durch den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im Schloss Bellevue in Berlin. Gefördert wird diese sozialsportliche und niedrigschwellige Aktion von der städtischen Jugendförderung, vom Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen, vom Bundesprogramm „Integration durch Sport“ des LandesSportBundes und privaten Spendern.

Wer Interesse hat, kann gern einmal mitfahren. Informationen im Internet www.cvjm-wolfsburg.de und telefonisch 05361/62813. Zurzeit gibt es aber wegen der behördlichen Auflagen allerdings keine Besuche.

 

Ach ja, die Geschichte mit den Hähnchenkeulen. Glücklicherweise gab es mehr als genug Hähnchenkeulen zum Mittag.

 

Vorbereitung und Ablauf eines Besuches

 

Rund zwei, drei, vier Monate vor dem Besuch legen wir ein Termin festgelegt. Je nach Sportart und Aktion (Volleyball, Fußball, Tischtennis, Spielenachmittag, JVA-Sportabzeichen) fahren rund fünf, sechs und bis zu 15, 20 Personen mit. Sie müssen einen gültigen Personalausweis haben – also mindestens 16 Jahre alt sein. Etwa zehn Tage vor dem Besuch werden die Namen mit Geburtsdatum der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der JVA geschickt. Es gibt bestimmte Vorgaben vonseiten der JVA. Am Sonntag gegen 12 Uhr treffen wir uns. Es wird überprüft, ob alle Mitfahrer einen gültigen Personalausweis oder Reisepass dabeihaben. Gegen 12.45 Uhr sind wir vor der JVA. Wir müssen unsere Personalpapiere abgeben. Es dürfen keine Handys und Fotoapparate und bestimmte andere Dinge in die JVA mitgenommen werden. Nach zwei, drei, vier Stunden ist die Begegnung vorbei und wir verlassen das Gefängnis.

Der CVJM Wolfsburg hat eine Broschüre herausgebracht unter dem Titel: "40 Jahre Sport im Strafvollzug - 40 Jahre christlicher Sozialsport" hier weiterlesen. Und diese sozialsportliche Aktion war einmal Thema des Monats: "Sport im Strafvollzug - Erwartungen - Möglichkeiten - Grenzen - CVJM Wolfsburg fährt seit über vier Jahrzehnten in Justizvollzugsanstalten - Wie läuft ein Besuch ab? - Opfer nicht vergessen! - vorbeugende Maßnahmen müssen gefördert werden - sinnvolle Angebote für junge und ältere Menschen" hier weiterlesen